Mythos Maria Callas: Über keine zweite Musikerpersönlichkeit der letzten einhundert Jahre wurden so viele Bücher in so vielen unterschiedlichen Sprachen geschrieben. Neben den einschlägigen Biographien füllen auch viele Romane, Novellen und sogar Theaterstücke die Regale. Weder Caruso noch Karajan, weder Elvis noch Madonna können es in publizistischer Hinsicht mit ihr aufnehmen. Sie ist die absolute Primadonna in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Die herausragende Sängerin des 20. Jahrhunderts war Maria Callas nicht wegen der Schönheit, sondern wegen der Expressivität und Unverwechselbarkeit ihrer Stimme. Schöne, technisch perfekt ausgebildete Stimmen gab und gibt es viele, doch was Maria Callas von Renata Tebaldi oder Anna Netrebko unter- scheidet, liegt auf einer anderen Ebene. Um das Besondere ihres Gesangs und ihrer Bühnenpräsenz zu begreifen, sollte man sie nicht nur mit ihren ›Rivalinnen‹ der damaligen oder aktuellen Opernszene vergleichen, sondern sich ganz andere singuläre Stimmphänomene wie Ella Fitzgerald, James Brown, Aretha Franklin oder Freddie Mercury in Erinnerung rufen.
Der künstlerische Einfluss von Maria Callas auf die Musik und das Musikleben der Gegenwart ist weiterhin immens. Die Belcanto-Renaissance ist wahrscheinlich ihr größtes historisches Verdienst. Monumentale Opernwerke wie Bellinis Norma, Rossinis Armida, Cherubinis Medea oder Donizettis Anna Bolena waren von den Spielplänen verschwunden, weil es keine Sängerinnen gab, die ihre immens fordernden Titelpartien hätten. Sie leitete eine Repertoirewende des musikalischen Theaters und einen Paradigmenwechsel der Gesangsästhetik ein, den man als ›Belcanto turn‹ bezeichnen könnte. Diese Wende ist heute noch längst nicht Geschichte. Im Gegenteil: Sie ist aktueller denn je.
Zum 100. Geburtstag von Maria Callas am 2. Dezember 2023 hat der Kölner Musik- und Theaterwissenschaftler Prof. Dr. Arnold Jacobshagen ein neues Buch über Maria Callas vorgelegt. In seinem Gastvortrag stellt er es vor und diskutiert den aktuellen Forschungsstand zu der Jahrhundertkünstlerin.
Prof. Dr. Arnold Jacobshagen studierte Musikwissenschaft, Geschichte und Philosophie sowie Kultur- und Medienmanagement in Berlin, Wien, Tours und Paris. 1996 Promotion an der Freien Universität Berlin, anschließend Musikdramaturg am Staatstheater Mainz. 1997 bis 2006 Wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent am Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth für die Fächer Theaterwissenschaft und Musikwissenschaft (dort 2003 Habilitation). Seit 2006 Professor für Historische Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Er ist ordentliches Mitglied der Academia Europaea, Vizepräsident der Gesellschaft für Musikforschung, Vorsitzender des Joseph Haydn-Instituts, Projektleiter der Haydn-Gesamtausgabe sowie Beiratsmitglied der Rivista Italiana di musicologia und der Deutschen Rossini-Gesellschaft. Er war Mitglied des Beirats der Enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart (2000–2008), Jurymitglied der Beethoven-Stiftung Bonn (2008–2011), Mitherausgeber der Zeitschrift Die Musikforschung (2012–2017) und Distinguished Visiting Scholar am Christ's College, University of Cambridge (2019).
Forschungsschwerpunkte u.a. Oper und Musiktheater (17.–21. Jahrhundert), Gesangsforschung, Sozial- und Institutionengeschichte des Musiktheaters, Historische Aufführungs- und Interpretationsforschung.
Maria Callas – Kunst und Mythos
19.01.2024 15:00 - 16:30
Location:
Schreyvogelsaal, Hofburg / Batthyanystiege, 1010 Wien