Männlichkeiten nach dem Fernsehen: Posttelevisuelle Technologien des Selbst und serielle Handlungsmacht Stefan Sulzenbacher betreut von: Andrea Seier
Stefan Sulzenbacher
Die medienkulturwissenschaftliche Dissertation "Männlichkeiten nach dem Fernsehen" beschäftigt sich mit aktuellen audiovisuell-seriellen Phänomenen wie Serien, Werbungen sowie Interfaces und Empfehlungsalgorithmen von Streaming-Portalen. Sie untersucht, wie diese Phänomene mediale Selbsttechnologien anreizen und regierungstechnologisch produktiv machen, wie dabei (hegemoniale) Männlichkeiten und (posttelevisuelles) Fernsehen koproduziert werden und wie darin digitale und geschlechterpolitische Transformationsprozesse der Gegenwart miteinander verschränkt sind. Der Untersuchungszeitraum umfasst zehn Jahre und beginnt mit dem Marktstart der posttelevisuellen Streaming-Plattform "Netflix" im deutschsprachigen Raum im Jahr 2014. Es werden zahlreiche Beispiele aus deutschsprachigen Produktions- und Rezeptionskontexten behandelt und dabei mediale Transformationsprozesse anhand serienbezogener posttelevisueller Fernsehpraktiken beforscht. In drei medienanalytischen Kapiteln werden diese Praktiken als posttelevisuelle Technologien des Selbst hinsichtlich ihrer (Re-)Produktion hegemonial-männlicher Subjektivierungen (Raewyn Connell, Judith Butler) untersucht und gezeigt, dass (hegemoniale) Männlichkeit(en) gegenwärtig nicht nur im Fernsehen, sondern auch beim Fernsehen auf serielle Weise ausgehandelt werden. Zu diesem Zweck setzt die Arbeit methodisch auf einen dispositivanalytischen (Michel Foucault, Markus Stauff) und akteur*innen-netzwerk-theoretischen (Antoine Hennion, Andrea Seier) Zugang. Fernsehen wird somit zugleich als inhaltlicher Gegenstand und als Konstellation sich verändernder medialer Praktiken in den Blick genommen, die mit Materialitäten und Diskursen verschränkt sind. Die Analyse arbeitet im ersten Kapitel männlich-resouveränisierende Ermächtigungsversprechen heraus, die mit der spezifischen Schaltbarkeit posttelevisueller Bilder einhergehen und die normativen Logiken des linearen Fernsehens herausfordern. Im zweiten Kapitel zeigt die Untersuchung, wie serielle Verschränkungen von algorithmischen Empfehlungssystemen und heterosexuellen Begehrenskonstellationen tradierte geschlechterpolitische (Ungleich-)Verteilungen von Handlungsmacht reproduzieren. Im abschließenden dritten Kapitel nimmt die Studie gegenwärtige Modulationen (post)televisueller Medienhaushalte im Kontext von globalen, Covid-19-pandemischen und klima-katastrophalen Ausnahmezuständen in den Blick und perspektiviert aktuelle Tendenzen, Sicherheits-Dispositive durch das gezielte Integrieren serienbezogener Medienpraktiken regierungstechnologisch umzuarbeiten.